In ein paar Stunden…

Wien 1914

„Ich bin bald wieder zurück. In ein paar Stunden…“ sagte die Mutter und küsste ihre kleine Tochter zum Abschied. Es ist schon dunkel und das Lissy soll schlafen gehen. Zumindest liegt sie in ihrem Bett. Mit ihren sieben Jahren ist sie noch zu klein um die Wirren um sie herum zu verstehen. Aber dass die Mutter, immer wieder mal abends weggeht, und vor allem warum sie es tut, das hat Lissy verstanden. Nur ein paar Stunden, dann ist Mama wieder da… Bald darauf schlummert das Mädchen vertrauensvoll in ihrem Kissen.

Am nächsten Morgen ist die Mutter nicht da.
Musste sie schon wieder weg, oder war sie gar nicht erst zurück gekehrt?
„Mama?“
Fragend schleicht Lizzy lautlos durch die kleine Wohnung.
„Mama?“
Wo war sie denn?

Lizzy setzt sich an den Küchentisch und wartet.

Nur ein paar Stunden… Ein paar Stunden der Angst und der Frage, wo ihre Mutter denn war.

In ein paar Stunden… geht die Tür auf und die Mutter eilt zum Kind. Alles ist wieder gut. Mama ist da.

Es hatte alles länger gedauert. Der Zug kam verspätet. Die Grenzkontrolle wurde streng abgehalten. Dann wurde sie des Schmuggels verdächtigt und über Nacht auf dem Grenzrevier festgehalten. Für die Mutter wäre das selbst nicht so schlimm gewesen. Sie war eine robuste Frau. Aber die Sorge um ihr kleines Mädchen zuhause trieb sie um. Dann waren doch noch die Verwandten auf der anderen Seite. Die dürften nicht auch noch in Gefahr kommen.

In ein paar Stunden war sie wieder frei.

Eine gefühlte Ewigkeit!

Weihnachten

Der Vater darf nach Hause, für ein paar Tage Urlaub. Die kleine Familie feiert gemeinsam. Sie nutzen die paar Stunden des Vergessens. Vergessen, dass um sie herum ein Krieg ausgebrochen ist, von welchem später sich die Menschheit fragen wird, „warum eigentlich?“ Ist das nicht bei jedem Krieg der Fall?

Doch in dieser Nacht wird nicht vom Krieg gesprochen. Diese Nacht gehört der Familie, der Liebe und der Hoffnung.

„In ein paar Stunden beginnt die Christmesse!“ Lizzy ist aufgeregt. Die Familie geht gemeinsam zur Kirche. Die paar Stunden bis dahin verfliegen wie der Wind. Schade. Wie gern hätte das Mädchen die Zeit etwas hinausgezögert, gestreckt, angehalten… Aber das geht ja nicht.

In ein paar Stunden… können sich so ewig lange anfühlen, so schwer und grausam – oder auch leicht und kurz, viel zu schnell verflogen…

An welche Stunden werden wir uns am Ende unseres Lebens wohl eher erinnern?….

Ich wünsche uns allen, dass die schönen Stunden – von Liebe und Geborgenheit – unsere Herzen festigen und stark machen, sodass die schweren Stunden besser ertragen werden können!

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